Die ganze Welt befindet sich im Ausnahmezustand. Alle sind dazu angehalten, ihre sozialen Kontakte zu minimieren – und das zur nahenden Weihnachtszeit. Das so genannte „Social Distancing“ trifft uns zu dieser Jahreszeit besonders hart. Hatten wir im Frühjahr noch weitestgehend sonniges Wetter und den Sommer vor Augen, sind es nun Schmuddelwetter und eine alles andere als gesellige Vorweihnachtszeit. Kein unbeschwerter Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, keine ausgelassene Weihnachtsfeier mit den Kollegen – kein gemütliches Zusammensein mit dem größeren Familienkreis zu den Adventssonntagen. Und selbst wenn die Maßnahmen zu Weihnachten und Silvester etwas gelockert werden, befinden wir uns doch fern der gewohnten Normalität.
Schon im Frühjahr beobachtete der Musikpsychologe Prof. Stefan Kölsch die Entwicklung mit Sorge. Dabei betonte er, dass der Begriff „Social Distancing“ in die Irre führe. Wichtig sei vielmehr die räumliche Distanz. Denn wer sich sozial isoliert, gehe ein großes Risiko ein. „Soziale Distanzierung ist etwas, was für den Menschen auf Dauer schädlich ist und uns sogar krank machen kann,“ so Prof. Kölsch. Es sei ein tiefes Bedürfnis des Menschen, sich nicht alleine gelassen oder isoliert zu fühlen. Wir brauchen soziale Kontakte, um gesund zu bleiben. Ohne diese steigt das Risiko für psychische Krankheiten. Und die erzwungene Isolation kann auch andere negative Auswirkungen wie Übergewicht oder Diabetes zur Folge haben.
Musik gegen das Alleinsein
Gegen das nagende Gefühl der Einsamkeit und Isolation helfe insbesondere Musik, erklärt Kölsch: „Musik kann meines Erachtens stärker als alles andere dazu beitragen, dass wir uns nicht alleine, alleine gelassen oder isoliert fühlen. Musik kann uns ganz fantastisch von negativen Gedanken, Sorgen und Trauer ablenken und so unsere Stimmung aufhellen. Und im gleichen Zuge finden auch positive Prozesse im Immunsystem statt.“ So schüttet Tanzen oder Klatschen zu Musik im Gehirn zum Beispiel körpereigene Opioide aus. „Die Aktivierung dieses Systems kann uns trösten und gleichzeitig dazu führen, dass wir uns anderen Menschen eher verbunden und eben auch weniger alleine gelassen fühlen. Gleichzeitig werden Schmerzen gelindert. Also ist es in Zeiten von Krankheit ganz sinnvoll, dieses System zu aktivieren“, erklärt Prof. Kölsch. Musik hilft uns, fit zu bleiben. Im Kopf und im Körper.
Natürlich sollten wir räumlich gesehen weiterhin auf Abstand gehen. Aber das muss eben keine soziale Distanz bedeuten. Die „neue Normalität“ mit all ihren Einschränkungen ist nicht zwangsweise krankmachende Isolation. „Den Kontakt zu unseren Lieben können wir zum Beispiel durch digitale Möglichkeiten wie Videotelefonie oder entsprechende Chats erhalten. Und auch das gemeinsame Musikhören und Musizieren ist durch Live-Streams und Online-Konzerte weiterhin möglich,“ sagt Oliver Schroll, Deutschland-Chef des skandinavischen Audiospezialisten HiFi Klubben und Mitverantwortlicher für das Projekt „Welcome Listeners“, das sich an alle richtet, die wieder genau zuhören und Musik genießen wollen.
Das gemeinsame Musikhören überbrückt Grenzen und schweißt Familien oder auch den Freundeskreis zusammen – nicht nur in der Krise. Und gerade jetzt ist der Zusammenhalt von enormer Bedeutung. „Insbesondere, wenn wir die eigenen Eltern oder Großeltern zu den Feiertagen nicht besuchen dürfen, können wir durch die Musik gedanklich beieinander sein. Wir können auch die Videotelefonie nutzen, um gemeinsam Weihnachtslieder zu singen,“ schließt Oliver Schroll.